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Der Wecker klingelt. Bevor ich die Augen offen habe fallen mir bereits all die Dinge ein, die schon längst erledigt sein sollten, was ich tun müsste, und worüber ich mich auch nach Tagen immer noch ärgere.
Selbst das leise Rieseln der Dusche bekommt keine Chance meinen Fokus auf diesen Moment zu richten und meinem Stress die Möglichkeit zu geben, im Abfluss zu verschwinden.

Hektisch ziehe ich das erste an was ich im Kleiderschrank finde. Bloß jetzt nicht noch überlegen müssen, worin ich mich heute wohl fühlen könnte. Unbewusst wechsle ich dann doch zweimal die Kleidung. Auf meinem Bett macht sich ein Haufen breit, der, wie sollte es anders sein, liegen bleibt.

„Erst mal das Wichtigste in der Stadt erledigen“, versuche ich mich zu beruhigen.
Auf der Fahrt behindert mich jede rote Ampel. Ich umkreise den Parkplatz, nehme jemandem den letzten freien weg. Kann mich gerade noch zurückhalten auf die ausfallenden Reaktionen der Frau mit gleicher Silbe zurück zu schlagen. .

Schaue auf mein Handy, was mir gerade signalisiert, dass eine neue Nachricht eingegangen ist, die ja vielleicht wichtig sein könnte. Versunken, den Fokus auf die Buchstaben richtend laufe ich los. Abrupt werde ich gestoppt. Reifen quietschen und ein durchdringender Ton trifft mein Ohr. Erschrocken, fast starr, schaue ich in ein wütendes Gesicht, was mir unmissverständlich und lautstark gestikulierend seinen Unmut entgegen bringt. Er hätte mich doch sehen müssen, worüber regt er sich so auf?“

Der Schreck in den Knochen lässt mich nun langsamer weitergehen. Minuten später bleibe ich irritiert stehen: „Warum bin ich hier?“ Um dann zu merken, dass mein Ziel hinter mir liegt und ich wieder zurückgehen müsste. Ärgerlich treffe ich die Entscheidung, das nochmals auf morgen zu verschieben. Dafür ist heute keine Zeit mehr, und einkaufen muss ich auch noch.

In dem Laden laufen Menschen mürrisch kreuz und quer. Meine Anspannung steigt. Immer mehr Hindernisse verbauen mir den Weg. Ich jongliere gehetzt zwischen die Einkaufswagen und Paletten. Endlich vor dem Regal angekommen weiß ich nicht mehr was ich einkaufen will. Und dennoch füllt sich mein Wagen wie durch Geisterhand.

Von weitem sehe ich die Schlange vor der Kasse. Kaum angestellt sollen wir doch an die andere gehen. Verzerrt lächle ich den Hintermann an, der verärgert kund tut, dass er schon längst wieder an seinem Schreibtisch sein müsste, und lasse ihn vor.

Mittlerweile bin ich vollends genervt. Schon wieder bimmelt mein Handy. Als ich den Anruf annehme, fallen meine hektisch abgestellten Einkaufstaschen um. Während die Artikel die Straße entlang rollen, suche ich nach Begründungen warum ich die Sonderangebote gekauft, der Werbung verfallen und dem Kaufrausch erlegen bin. Zu allem Übel denke ich auch noch an die unbezahlten Rechnungen, die ich statt dessen begleichen müsste..

Endlich zurück, nachdem der Briefkasten gelehrt und Post, die keiner braucht,
verärgert erst mal weggelegt sind, sitze ich vor dem Computer. Die vielen mails nerven und doch bearbeite ich sie. Getrieben mit den Gedanken ich müsste, sollte jetzt endlich…Und so zwinge ich mich, obwohl ich nur Blödsinn verfasse. Dann verabschiedet sich auch noch das Internet und ich habe einen neuen Grund mich wieder aufzuregen.

Lechzend nach einer Pause, abschalten, zur Ruhe kommen, einfach berieseln lassen, schalte ich den Fernseher ein. Die Nachrichten, verheißen nichts Gutes. „Gibt es denn gar nichts Positives auf der Welt?“, schießt es mir durch den Kopf während mein Finger auf der Fernbedienung verzweifelt von einem Kanal zum anderen schaltet. Ich bin nicht einmal mehr in der Lage zu entscheiden ob mich überhaupt noch was interessiert, Will nur noch raus hier.

Während ich losgehe plappert mein Kopf unentwegt weiter. Gefolgt von wechselnden Gefühlen, die ich gerade gar nicht brauchen kann. Den Wald voller Bäume sehe ich nicht und die Menschen, denen ich begegne schenke ich keinerlei Beachtung. Ich erschrecke mich sogar, wenn jemand mich grüßt.

Das Leben was mich umgibt, gleicht einem diffusen Bild, was sich mir nicht zu erkennen gibt. Mühsamen Schrittes führt mein Weg weiter durch hohe Gräser und abgeholzte Bäume über die ich steigen muss. „Warum kann ich nicht auf den vorgezeigten Wegen bleiben“, ertappe ich mich, als ein lautes Geräusch meine Gedanken unterbricht.

Ein Milan kreist über mir und zieht mich in seinen Bann.
Majestätisch spreizt er seine Flügel, gefolgt von wenigen Flügelschlägen gibt er sich dem einzigartigen Moment hin. Gleitet, die Luft trägt ihn als sei er ein Hauch von Nichts. Raum und Zeit erscheinen bedeutungslos. Ein Spiel der Bewegung, würdevoll, voller Anmut und Kraft entsteht direkt vor meinen Augen. Die gefächerten Enden seiner Flügel spielen mit dem Wind in einer Leichtigkeit, die mich mitreißt.
Mal gleitet er mit den Wolken um im nächsten Moment in seine ureigene Richtung zu wechseln. Fast magisch bleibt er auf einmal in der Luft stehen, seine Schultern gebeugt, sein Schweif gespreizt, voller Spannung die Flügel eingeknickt. Demütig senkt er seinen Blick zum Boden um alsbald wagemutig hinabzustürzen. Erneut zieht er sich hoch in die Lüfte, um seinen Tanz fortzusetzen.
Die durch die Wolken brechenden Sonnenstrahlen lassen ihn golden, fast durchsichtig erscheinen. Es ist als ob er sich mit allem verbindet, ziel- und absichtslos.
Ein lauer Windhauch umhüllt meinen Körper. Staunend lasse ich es geschehen. Gebe mich hin diesem einen, wunderschönen, erfüllenden Moment.

Sehe nun auch die Zweige der Bäume, wiegend wie eine liebevolle Umarmung. Den Bach, der sich durch die Landschaft schlängelt, unwichtig, welche Steine sich ihm in den Weg stellen. Er findet seine Richtung.
Ein Reh bleibt stehen, bedacht darauf, ob ich nicht eine Gefahr darstelle, um dann langsam und friedvoll weiter zu ziehen. Überall raschelt und knistert es, was das vielfältige Leben erahnen lässt,

Den Menschen, die jetzt meinen Weg kreuzen schaue ich grüßend in die Augen und frage mich: „Was ist für sie wohl gerade wichtig, welche Gedanken und Gefühle durchfluten ihren Körper? Wovon wollen sie vielleicht mal für einen Moment entfliehen?“ Was brauchen wir wirklich?

Mag sein, dass unser Fortschritt einiges erleichtern kann. Mag sein, dass vieles, was uns umgibt einen anderen, wichtigeren Stellenwert zu haben scheint. Gerade ist es jedoch nur eines – dieser Moment, der mich durchatmen und die Faszination und das perfekte Zusammenspiel der Natur erkennen lässt. Der Natur, zu der wir alle gehören.

Während ich erfüllt und bewusst zurück gehe kommt mir der Morgen wieder in den Sinn. Mit anderen Augen fallen mir viele Momente ein, in denen ich auch hätte durchatmen können, um gelassen und zielgerichtet meines Weges zu gehen.

Auf einmal gehen mir die Dinge leicht von der Hand. Dabei kommen mir plötzlich Ideen, wonach ich schon so lange suche. Ich lächle, denn das für mich wirklich Wichtige bleibt und möchte umgesetzt werden, wenn erst mal der Müll aus meinem Kopf raus ist.
Es dauert nicht lange und ich kann meine Tätigkeiten für heute mit gutem Gewissen abschließen.

Ich schaue nach draußen. Langsam senkt sich die Sonne am Himmel und taucht die Umgebung in ein heimelig, Geborgenheit gebendes Licht.
Entfernt will mich mein Handy an Nachrichten erinnern. Dankbar, gelassen und zufrieden schalte ich es für heute aus.